Hernry van de Velde - Die abstrakte Linie - Karl Ernst Osthaus

Henry van de Velde, eine der Zentralfiguren des Jugendstils, fertigte niemals Entwürfe für die Fabrikation, sein künstlerischer Anspruch erlaubte nicht, auf die Bedürfnisse der Vervielfältigung herabgeschraubt zu werden, seine theoretischen Überlegungen kulminierten jedoch in der »Moderne«, in derGründung des Werkbundes 1907.

Schon früh erkannte van de Velde, daß die Zeit des Ornaments aus Ranken, Blüten, Weibern vorbei war: Die Kunst der Zukunft würde abstrakt sein. Der Primat der »abstrakten Linie« beherrschte fortan seine Gestaltung.Engagierte sich van de Velde auch für die thüringische Kleinindustrie, so blieb er doch der mondäne, weltgewandte Künstler-Entwerfer idealistischer Mäzene. »Ein Hinanziehen« auf höhere Ebenen im Goetheschen Sinne war das Anliegen dieser Symbiose aus Kapital, Geist und Kunst. Keiner war besser geeignet, diesen Auftrag zu erfüllen, als der grenzüberschreitende Kosmopolit van de Velde.

Nach ersten Aufträgen in Berlin, gefördert von Eberhard Freiherr von Bodenhausen, wurde die Verbindung mit Karl Ernst Osthaus und Harry Graf Keßler entscheidend für sein Werk.

Osthaus, der schöngeistig veranlagte Sohn eines Millionärs der Gründerzeit aus Hagen, erlangte von seinem Vater die Erlaubnis, sich seinen Begabungen, die nicht im »Fabrikbereich« lagen, zu widmen. Im Frühjahr 1901 las Osthaus einen Artikel Meier-Graefes über van de Velde. Die zahlreichen Abbildungen dokumentierten die Einheit eines neuen Lebens- und Kunstwillens - die Folge war, daß Osthaus telegraphisch um eine »Audienz« bei van de Velde bat. Die Bilanz dieser Begegnung ist überwältigend. Osthaus entwickelte eine eindrucksvolle propagandistische Tätigkeit für den neuen Stil: Das Museum Folkwang in Hagen wurde von van de Velde erbaut, das von Osthaus gegründete Deutsche Museum in Handel und Gewerbe profilierte sich mit Vorträgen und Wanderausstellungen.