Kubismus

Richtung der modernen Kunst seit 1907, die neue Darstellungsformen entwickelte, besonders in der Malerei, aber auch in der Bildhauerei. Der Kubismus war eine der ersten Kunstrichtungen, die sich der Abstraktion näherten. Großen Anteil an der Entwicklung des Kubismus in der Malerei hatten der französische Künstler Georges Braque und der Spanier Pablo Picasso. Seinen Höhepunkt erreichte der Kubismus um 1914.

Der Kubismus wandte sich gegen den Formenkanon der realistischen Darstellung, wie er seit der Renaissance verbindlich war, und stellte als abstrakte und später gegenstandslose Kunst einen entscheidenden Wendepunkt in der Kunstgeschichte dar. Er verstand sich als Revolte gegen die Sentimentalität und den Realismus der Malerei des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts und wandte sich gegen die Betonung von Licht und Farbe und gegen den Mangel an Form, beides typische Charakteristika des Impressionismus. Beeinflusst wurde der Kubismus auch von der afrikanischen und ozeanischen Kunst.

Die Grundsätze des Kubismus sind in dem Satz des französischen spätimpressionistischen Malers Paul Cézanne zusammengefaßt: "Alle Formen in der Natur lassen sich auf Kugel, Kegel und Zylinder zurückführen." In der früheren Phase (etwa seit 1908), dem analytischen Kubismus, gingen die Künstler vom Gegenstand aus, brachen die Konturen des Motivs auf und zerlegten es in kubische Formelemente. Sie verzichteten auf Raumwirkungen und Perspektive und reduzierten die Palette auf wenige Farben, vor allem Grau-, Braun- und gedämpfte Grüntöne. Sie begannen ferner, Buchstaben und Zahlen in ihre Kompositionen zu malen. Später klebten sie gefundene Etiketten, Billette, Zeitungsausschnitte, Tapeten und andere Gegenstände in ihre Bilder und erfanden so die Collage. Damit entfernten sich diese Werke immer mehr vom Motiv und gewannen an Bildautonomie. Der nächste Schritt, dieses Verfahren umzukehren, lag nach 1914 nahe. Juan Gris (sein Künstlername ist von dem französischen Wort gris, grau, seiner zeitweilig bevorzugten Farbe, abgeleitet), der seit 1910 kubistisch malte, wagte ihn als Erster. In dieser späteren Phase des synthetischen Kubismus gingen die Künstler von ungegenständlichen Farbflächen aus, die erst im Laufe der Arbeit durch eingefügte Zeichen einen gegenständlichen Bezug erhielten. Zum Beispiel kann ein braunes Rechteck durch zwei eingezeichnete Punkte als Gesicht oder durch parallele Linien als Gitarre erkannt werden. Gris beschrieb sein neues Verfahren: "Cézanne macht aus einer Flasche einen Zylinder, ich hingegen gehe von einem Zylinder aus, um ein Einzelding zu schaffen; aus einem Zylinder mache ich eine Flasche..." Braque und Picasso schlossen sich der neuen Richtung bald an und übertrugen sie auch auf die Skulptur. Picasso prägte für seine Arbeitsweise die später berühmt gewordene Formel: "Ich suche nicht, ich finde." Im synthetischen Kubismus werden die Bilder wieder bunter, weil auch Farbe als Zeichen dienen kann: Wenn Picasso beispielsweise eine Rechteckform mit roten, blauen und grünen Rhomben und Trapezen bemalt, wird sie als das Trikot eines "Harlekins" erkennbar.

Neben Pablo Picasso und Georges Braque sind auch Künstler wie Albert Gleizes, Fernand Léger, Francis Picabia, Marcel Duchamp, Roger de La Fresnaye und Juan Gris bedeutende Maler des Kubismus gewesen. Zu den herausragenden Bildhauern, die sich die kubistischen Prinzipien der Malerei zu Eigen machten, gehörten neben Picasso Raymond Duchamp-Villon sowie Jacques Lipchitz und Alexander Archipenko. Maurice de Vlaminck, Stuart Davis und Lyonel Feininger waren Künstler, die unter dem Einfluss der kubistischen Formenlehre arbeiteten. Robert Delaunay entwickelte den Kubismus zu einer eigenen Stilrichtung weiter, dem von Apollinaire so genannten Orphismus. Er gehörte zu den ersten Künstlern, die gegenstandslos-abstrakte Bilder schufen.